Am 23. März 2016 werden einige wesentliche Änderungen im europäischen Markenrecht in Kraft treten. Eine wesentliche Änderung betrifft die bisherige Praxis bei der Interpretation von Klassenüberschriften in Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen. Durch diese Anpassung wird die sogenannte IP-Translator-Entscheidung des Europäischen Gerichtshof aus dem Jahr 2012 umgesetzt.

Klassenüberschriften

Die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen einer Marke erfolgt nach dem international gültigen und anerkannten Nizza-Klassifikationssystem. Durch dieses System können sämtliche Waren und Dienstleistungen einer Marke einer von 45 Waren- und Dienstleistungsklassen zugeordnet werden. Die Klassenzuordnung dient vor allem der Bestimmung der für die Anmeldung und Verlängerung einer Marke jeweils anfallenden amtlichen Gebühren.

Um eine schnellere Zuordnung zu den verschiedenen Klassen zu ermöglichen, beinhaltet das Nizza-Klassifikationssystem neben detaillierten Aufstellungen der den verschiedenen Klassen jeweils zugeordneten Waren und Dienstleistungen auch sogenannte Klassenüberschriften. Diese Klassenüberschriften dienen als erster Anhaltspunkt für die Zuordnung einer konkreten Waren- oder Dienstleistungsangabe zu einer Klasse. Beispielsweise lautet die Klassenüberschrift der Warenkasse 15 „Musikinstrumente“.

Interpretation der Klassenüberschriften bis zur IP-Translator-Entscheidung

Bis zur IP-Translator-Entscheidung des Europäischen Gerichtshof wurden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse, die zumindest auch eine Klassenüberschrift vollständig umfassten, durch das EU-Markenamt (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt – HABM) so ausgelegt, als wären von der jeweiligen Marke sämtliche Waren bzw. Dienstleistungen erfasst, die der Klasse zugeordnet sind, deren Klassenüberschrift vollständig wiedergegeben wurde. Eine EU-Marke die für Waren der Klasse 15 angemeldet wurde und deren Waren- und Dienstleistungsverzeichnis die Warenangabe „Musikinstrumente“ umfasste wurde also derart interpretiert, dass durch diese Marke beispielsweise auch „Notenständer“ erfasst waren, da „Notenständer“ ebenfalls der Warenklasse 15 zugeordnet werden.

Der Europäische Gerichtshof hat diese Praxis des EU-Markenamts beanstandet und entschieden, dass auch die Klassenüberschriften ausschließlich Ihrem wörtlichen Sinn nach interpretiert werden dürfen und kein erweiterter Schutz bei Verwendung vollständiger Klassenüberschriften gewährt werden darf.

Änderung des EU-Markenrechts

Die am 23. März 2016 in Kraft tretenden Änderungen des EU-Markenrechts setzen diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs um. Bei dieser Umsetzung wird zwischen Markenanmeldungen unterschieden, die entweder vor der IP-Translator-Entscheidung oder nach dieser Entscheidung eingereicht wurden.

Um die Inhaber der Marken, die vor der IP-Translator-Entscheidung angemeldet wurden, nicht unangemessen zu benachteiligen, sieht das neue EU-Markenrecht eine sechsmonatige Übergangsfrist vor, innerhalb der Inhaber von vor dem 22. Juni 2012 angemeldeten EU-Marken, deren Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse vollständige Klassenüberschriften beinhalten, ein geändertes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis einreichen können, so dass die jeweilige Marke sämtliche relevante Waren und Dienstleistungen der entsprechenden Klasse weiterhin umfasst. Sofern eine entsprechende Eingabe eingereicht wird, wird die jeweilige EU-Marke auch zukünftig so behandelt wie vor der IP-Translator-Entscheidung bzw. des Inkrafttretens des neuen EU-Markenrechts.

Durchsetzbarkeit des erweiterten Markenschutzes

Das neue EU-Markenrecht sieht vor, dass EU-Marken, für die eine entsprechende Erklärung eingereicht wurde, die Marke für die nicht explizit aufgeführten Waren und Dienstleistungen ausschließlich dann gegen Handlungen möglicher Markenverletzer durchgesetzt werden können, sofern diese Handlungen nicht bereits vor der Eintragung des erweiterten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in dem amtlichen Register aufgenommen wurden. Sofern eine Marke gegen Dritte wegen bereits zuvor aufgenommener Markenverletzungen auch für solche Waren und Dienstleistungen durchgesetzt werden soll, für die die Marke bis zur IP-Translator-Entscheidung Schutz genossen hat, gehen einige Kommentatoren davon aus, dass die vorgesehene Verteidigungsmöglichkeit der Markenverletzer möglicherweise durch eine Änderung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses vor dem 23. März 2016 vermieden werden könnte. Sollte dies für Sie relevant sein, stehen wir Ihnen gerne zu einer ausführlichen Erörterung zur Verfügung.